Ein anschauliches Beispiel für die Dynamik des Sprachenregimes in Luxemburg liefert gerade der städtische Panorama-Aufzug, der das Pfaffenthal mit der Luxemburger Oberstadt verbindet. Vor ein paar Tagen wurde, aus Anlass des nahenden Nationalfeiertags am 23. Juni, rund um den Aufzug ein Hinweisschild angebracht, das uns – auf Französisch – über die Öffnungszeiten desselben am betreffenden Tag informiert. Und zwar wie folgt:

Abgesehen davon, dass man sich durchaus fragen kann, warum ein automatisch betriebener Lift überhaupt Öffnungszeiten braucht, ist an dieser Mitteilung zunächst nichts weiter bemerkenswert. Und doch hat das Schild es bereits zu lokaler Bekanntheit gebracht: So firmiert heute auf der Website von RTL ein kurzer Bericht, in dem die Frage aufgeworfen wird, ob die Information auf dem Schild – gemeint ist die Kombination von Tag und Uhrzeit – eindeutig undalso problemlos zu verstehen sei oder ob die angezeigten Öffnungszeiten beförderungswillige Passant.innen im Unklaren darüber lassen, wann denn nun der Aufzug in Betrieb sei. Zudem wird – in den Kommentaren – einmal mehr die Rolle des Französischen in der Öffentlichkeit hinterfragt.

Und weil wir in aufgeregten Zeiten leben, die scheinbar weder lebensweltliche Uneindeutigkeiten noch mögliche Anlässe für öffentliche Erregung lange tolerieren, wurden die Schilder in der Zwischenzeit tatsächlich ausgetauscht: Neue Information und, man lese und staune, neue Sprache.

Nun ist Englisch an sich weder neu in der hiesigen sprachlichen Landschaft noch seine wachsende Bedeutung besonders überraschend. Zwar hat das Englische in Luxemburg immer noch einen vergleichsweise schwachen Stand – anders als Französisch etwa werden englischsprachige Beiträge in den Medien noch immer untertitelt oder übersprochen. Auch gaben in einer kürzlich veröffentlichten Umfrage zur Sprachensituation erstaunliche 98% der Befragten an, Französisch zu sprechen. Es bestand also, selbst eingedenk der vielen Tourist.innen, die den Aufzug nutzen, weder praktische Nötigkeit zur Ersetzung der Sprache noch ein tatsächliches kommunikatives Problem (auch die etwas ungenaue Zeitangabe lässt sich unter Zuhilfenahme eines mitgeführten Gehirns ja recht leicht auflösen). Und dennoch – besonders da derzeit im Rahmen der umstrittenen Nation-Branding-Kampagne einiges versucht wird, um Englisch mit Nachdruck und aus wirtschaftlichen Motiven in die prallvolle sprachliche Landschaft zu pressen – zeugt der Austausch der Beschilderung mindestens von zweierlei:

  • In diesen medial wie diskursiv herausfordernden Zeiten genügt die Beobachtung einer Einzelperson, um aus einem alltäglichen Kinkerlitzchen ein mediales Kommunikationsereignis zu machen, das direkte lebensweltliche Konsequenzen zeitigt.
  • Auch wenn diesem Unereignis letztlich nicht viel mehr eingeschrieben steht als die generelle Anfälligkeit der hiesigen Öffentlichkeit für sprachliche und identitäre Kinkerlitzchen aller Art, sind doch es zumeist die kleinen tektonischen Verschiebungen, die leichten Erschütterungen im Diskurs, die den großen Umbrüchen vorausgehen.

In diesem Sinne: Schönen Nationalfeiertag!