In den letzten Wochen konnte man im Sprachlabor Luxemburg ein kleines sprachenpolitisches Experiment beobachten. Als Reaktion auf die öffentliche Debatte über die Mehrsprachigkeit und im Zuge der von der Regierung lancierten, langfristigen Entwicklungsstrategie für das Luxemburgische fanden vier öffentliche Diskussionsabende unter dem Motto “Lëtzebuergesch an der Gesellschaft. Rollen, Chancen, Perspektiven” statt.1 Lanciert wurde diese Initiative von Bildungsminister Claude Meisch. Ziel der Veranstaltung war es, aus der offenen Diskussion mit der Bevölkerung Vorschläge und Wünsche zu sammeln, die in Form eines ergänzenden “Bürger-Programms” gemeinsam mit dem offiziellen 40-Punkte-Plan der Regierung dem neu zu gründenden Zentrum für das Luxemburgische als Arbeitsauftrag übergeben werden sollen. Zusätzlich zu den Diskussionsabenden konnten Bürger.innen Vorschläge über ein Online-Forum einreichen (sproocheronn.lu).

Die Veranstaltungen fanden an vier Orten im Land statt (Luxemburg-Stadt, Esch-sur-Alzette, Bad Mondorf, Diekirch) und sahen neben einer kurzen Eröffnungsrede des Ministers jeweils drei thematische Blöcke (Schule und Erziehung, Forschung und Praxis, Alltag und Gesellschaft) vor, die von Expert.innen begleitet wurden. Für den Bereich Forschung und Praxis war ich selbst als Moderator mit von der Partie, daneben waren ein Mitarbeiter des Bildungsministeriums (Luc Belling) sowie eine Luxemburgisch-Lehrerin (Shari Schenten) engagiert. Die Ergebnisse der Diskussionen wurden auf Whiteboards gesammelt und parallel dazu von einer Zeichnerin als Stimmungsbilder festgehalten. Alle Diskussionen wurden auf Luxemburgisch mit Simultanübersetzung in Französisch und Englisch durchgeführt.

Zu den Veranstaltungen kamen jeweils zwischen 25 und 40 Interessierte. Alle Abende zeichneten sich dabei durch rege, teils intensive Diskussionen aus, bei denen eine Reihe von Vorschlägen gesammelt werden konnte. Viele Wünsche der Anwesenden bezogen sich dabei auf erwartbare oder bereits bekannte Themen: Besonders die schulische Vermittlung und Lehrerausbildung, die öffentliche Sichtbarkeit des Luxemburgischen (z.B. in Medien und auf Schildern), praktische Probleme einer mehrsprachigen Gesellschaft und die Herausforderungen durch sprachlichen Wandel standen im Mittelpunkt des Interesses, häufig unter Bezug auf prototypische Alltagssituationen oder individuelle Normhorizonte (“gutes” oder “richtiges” Luxemburgisch).

Eröffnung der ersten “Sproocheronn” in Luxemburg-Stadt

Bürger.innen machen Sprachenpolitik

Auffällig an den einzelnen Runden war dabei, dass jede geprägt war von unterschiedlichen Publika und – damit einhergehend – Tonlagen in der Diskussion. Während der erste Abend in Luxemburg-Stadt vor allem von besorgten Bürger.innen bestimmt wurde, denen der sprachliche Wandel und die Mehrsprachigkeitssituation Unbehagen bereiteten, bekam die zweite Diskussionsrunde in Esch durch eine ganze Reihe (selbsterklärter) Fragesteller.innen aus den Reihen der nationalkonservativen adr eine stärker politische Färbung, im Sinne einer Polarisierung von eigen vs. fremd (Sprachen, Wörter) und einheimisch vs. zugezogen (Bevölkerung). Demgegenüber schienen die Teilnehmer.innen des dritten Abends in Bad Mondorf vor allem aus Anwohner.innen zu bestehen, in deren Beiträge sich auffällig viel Selbstkritik in Bezug auf den eigenen Umgang mit dem Luxemburgischen im Kontakt mit Nicht-Muttersprachler.innen mischte. Bei der letzten Veranstaltung in Diekirch meldeten sich dagegen vermehrt Akademiker.innen und Lehrer.innen zu Wort, die Chancen und Probleme der Sprachensituation problembezogen thematisierten, z.B. in Bezug auf die frühkindliche Sprachenförderung oder Perspektiven für die Mehrsprachigkeitsforschung.

So lässt sich nach Abschluss der Kampagne ein mehrteiliges Fazit ziehen: Inhaltlich haben die Abende eine Reihe konkreter, teils auch innovativer Vorschläge hervorgebracht, aus denen sich sicherlich ein passables “Bürger-Programm” zusammenschreiben lässt, das entlang den Leitlinien “Mehr Unterricht und Materialen, mehr Sichtbarkeit und Anerkennung sowie mehr Forschung und Förderung für das Luxemburgische” Form annehmen könnte. Zugleich zeugt die eher niedrige Beteiligung von Seiten der Bevölkerung von einer begrenzten Öffentlichkeitswirkung der Aktion.2 Die praktischen Auswirkungen der Sprachenrunden und des Bürger-Programms im Rahmen der strukturellen Sprachförderung bleiben hingegen abzuwarten, in den nächsten Jahren ebenso wie in den kommenden Monaten des Wahlkampfes. Lässt man naheliegende politisch-taktische Motive für eine solche Kampagne mal außer Acht, stellt diese Form des Bürgerdialogs aber in jedem Fall eine spannende sprachenpolitische Versuchsanordnung dar, die darauf abzielt, eine Brücke zwischen der politischen Entwicklung gesellschaftlicher Leitlinien und dem zuletzt deutlich geäußerten Unmut über die Sprachensituation in Teilen der Bevölkerung zu schlagen. Im derzeitigen Debattenklima ist das ebenso nötig wie erfreulich.


  1. Ein zusätzlich geplantes Jugend-Forum für Schüler.innen musste mangels Teilnehmer.innen leider kurzfristig abgesagt werden. ↩︎

  2. Demgegenüber steht eine rege Teilnahme am Online-Forum. ↩︎